Historie

Turnvereins „Gut Heil“

Entstehungsgeschichte

Am 1.April des Jahres 1892 gründeten 44 Herren aus dem Zerbster Mittelstand den Turnverein „Gut Heil“ e.V. Zerbst. In den folgenden Jahren mussten sich seine Mitglieder an den Turnabenden mit Sälen und Gaststätten begnügen. Ab und an nutzten sie die Hallen des befreundeten Männerturnvereins und des Gymnasiums.

Der Verein beteiligte sich an vielen Deutschen Turnfesten, so 1894 in Breslau, 1898 in Hamburg, 1903 in Nürnberg usw. Es war schon damals ein Verein, in dem viele Teile des Sports, wie Volksturnen, Schwimmen, Wandern, Spielen und Singen gepflegt wurden. In diese Zeit fällt auch der Name eines Mannes, der den Verein bis 1945 geprägt hat, nämlich der des Dr. Georg Schad, der 1920 als Studienrat an das Francisceum in Zerbst kam.

Er wurde bald Leitfigur des Turnvereins „Gut Heil“ und dessen Vorsitzender. Sein Lebensziel war die Erziehung junger Menschen im Sinne des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn.

Die zunehmende Erkenntnis von der Bedeutung der Leibesübungen für die Frau ließ auch in Zerbst den Wunsch aufkommen, einen Frauenturnverein ins Leben zu rufen. Die Gründungsversammlung des Frauenturnvereines e.V. fand am 15. Dezember 1921 statt. 1925 schlossen sich beide Vereine zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, blieben jedoch juristisch selbständig. Durch den Zusammenschluss wurden die Jugendabteilungen beider Vereine zahlenmäßig immer stärker, und die Kapazität der genutzten Turnstätten reichte nicht mehr aus. Noch im selben Jahr wurde der Entschluss gefasst, eine eigene Turnhalle zu erbauen. Das hieß, in den nächsten Jahren die erforderlichen Mittel für den Bau zusammenzubringen. Im Jahre 1928 wurde auf dem Heidetorplatz in Zerbst das Flurstück 32 in der Größe von 1,32 ha käuflich erworben.

Durch sparsames Wirtschaften, turnerische und sonstige Veranstaltungen, Sammlungen bei Mitgliedern und Freunden, Ausgabe von Anteilscheinen usw. hatte man in sechs Jahren die stolze Summe von 75.000,– Reichsmark zusammen.

Am 1. November 1931 fand in Anwesenheit des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Koppetsch und weiteren Persönlichkeiten auf dem Sportplatzgelände die Grundsteinlegung für die 49 x 16 m große Turnhalle statt. Nach einer Rekordbauzeit von nur 7 Monaten wurde die Turnhalle eingeweiht. Viele Mitglieder hatten mit Hand angelegt.

Die Zerbster „Extrapost“ schrieb in ihrer Ausgabe vom 29. Mai 1932: „Nun ist er vollendet, der schlichte und doch so geschmackvolle Turnhallenbau draußen vor den Toren der Stadt.“ An jenem Tage wurde die Halle nach Friedrich Friesen benannt, der während der Napoleonischen Befreiungskriege Adjudant des Majors von Lützow war. An der Seite von Turnvater Friedrich Ludwig Jahn begeisterte er die Jugend für das Turnen.

Als die Friesenhalle für den Turnbetrieb zur Verfügung stand, nahmen die beiden Vereine einen ungeahnten Aufschwung, und die Mitgliederzahlen stiegen weit über die Tausend.

Nach der Zerschlagung des Faschismus wurden der Turnverein „Gut Heil“ und der Frauenturnverein, wie alle anderen dem NSRL angehörenden Turn- und Sportvereine in der damaligen sowjetischen Besatzungszone, aufgelöst und das Vermögen beschlagnahmt. Im Jahre 1951 wurde das Grundstück lt. Grundbuchauszug als Volkseigentum erklärt. Die Friesenhalle und der Sportplatz wurden bis zum 19. Dezember 1990 von der in Zerbst stationierten Panzereinheit der sowjetischen Streitkräfte genutzt.

Als bekannt wurde, dass die sowjetischen Truppen die Kasernen und das Gelände des ehemaligen Turnvereins „Gut Heil“ geräumt hätten, ergriffen einige ehemalige Mitglieder der beiden Vereine die Initiative, an der Spitze die Turnschwester Gertraud Rawiel und der Turnbruder Otto Specht, um einen neuen Verein zu gründen und das Eigentum zurückzuerhalten.

Zur Gründungsversammlung am 21. Januar 1991 waren 51 Damen und Herren zwischen 88 und 52 Jahren erschienen und beschlossen spontan, nur einen Verein wieder zu gründen und zwar den Turnverein „Gut Heil“. Auf Grund eines lückenlosen Eigentums- und Rechtsnachfolgenachweises wurde dem Verein vom Amt zur Regelung offener Vermögensfragen im Landratsamt Zerbst am 24. Mai 1991 sein Grundstück zurückübereignet.

Vom 15.08.1991 bis 15.05.1992 wurden von Zerbster Baufirmen und ABM-Kräften an der Turnhalle die erheblichen Belegungsschäden aus der 45-jährigen Fremdnutzung durch sowjetische Truppen beseitigt.

Ab 1. Juni 1992 steht die 60-jährige Friesenhalle im neuen Gewand dem Zerbster Sport wieder zur Verfügung.

(Beitrag von Heinrich Jüptner, entnommen der Festschrift zur Wiedereinweihung der Friesenhalle am 30. Mai 1992)